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Ein Chef auf grünem Kurs

Überzeugungstäter: Seit mehr als zwölf Jahren trimmt Stephan Potthoff-Wenner sein Familienunternehmen auf Nachhaltigkeit. Recycling, Sonnenstrom und Wärmepumpen gehören zum Alltag des Herstellers von Verpackungskartons. Und seit neustem auch zwei Elektrofahrzeuge von MAN. 

Schon die Fahrt zur Arbeit setzt ein Zeichen: Stephan Potthoff-Wenner winkt, als er auf dem E-Bike in den Firmenhof einbiegt. „Ich stelle das Fahrrad unter, dann komme ich.“ Kurz darauf erscheint er im Büro mit Jeans und gemustertem Hemd. Der 63-Jährige fällt auf – zumindest für den Chef eines Familienunternehmens aus dem eher bodenständigen Ost-Westfalen-Lippe. Dasselbe gilt für seinen Arbeitsplatz. An der Wand hängt ein Plakat der Umweltschutzorganisation WWF, im Regal stehen Bücher mit Titeln wie „Wunderwerk Erde“ oder „Zu neuen Ufern“. Unternehmertum und Ökologie – für Potthoff-Wenner ist das kein Widerspruch. „Auch unsere Kinder sollen die Schönheit der Natur noch bewundern. Etwas Wertvolleres können wir ihnen nicht hinterlassen.“ Nach diesem Leitbild richtet er sein Unternehmen aus, das er in dritter Generation führt. Grüne Energie ist für ihn heute genauso selbstverständlich wie das Wiederverwerten von Abfällen und elektrisches Fahren. Den Unternehmenserfolg behindert das nicht: Mit der Umsatz- und Gewinnentwicklung des Unternehmens ist Potthoff-Wenner zufrieden.

Pappe statt Plastik

Das Unternehmen stellt Verpackungen aus Vollpappe her. Lebensmittelhersteller nutzen die dichten Schachteln, um darin Fleisch, Fisch, Gemüse oder Fertiggerichte anzubieten. In den vergangenen Jahren ist der Bedarf an massiven Kartonagen in Deutschland auf 500.000 Tonnen gestiegen, 30.000 Tonnen davon stellt Wenner mit seinem Vollpappen-Verarbeitungswerk  her. Immer mehr Unternehmen meiden Kunststoffpackungen und setzen auf wiederverwertbares Material.  „Auf unserem Markt haben wir einen fast vollständigen Wertstoffkreislauf“, sagt Potthoff-Wenner. Rund 98 Prozent der in Versmold hergestellten Verpackungen bestehen aus Altpapier. Dass Pappreste nicht verloren gehen, belegt der Chef beim Rundgang durch die Produktion: Dort, wo die bedruckten Rohkartonböden in der Stanzmaschine verschwinden, schneiden softwaregesteuerte Messer die Formen so intelligent, dass wenig Abfall entsteht. Die unvermeidbaren Reste fallen auf ein Band und werden gesammelt.

Schock nach Blick auf Stromrechnung

Lange Zeit machte sich der studierte Betriebswirt kaum Gedanken um nachhaltiges Handeln. Bis das Unternehmen 2009 eine neue Anlage zum Bedrucken von Kartons in Betrieb nahm, nach neuestem Stand der Technik, damit die Verpackungen so schön und bunt aussehen wie es der Kunde verlangt. Dann kam der Schock: Nach dem Start der Anlage schoss der Stromverbrauch des Unternehmens um fast ein Drittel in die Höhe. „Da hat es bei mir Klick gemacht“, erzählt der Chef. Ihm wurde schlagartig klar: Mit jedem Wachstumsschritt würde der Strombedarf des Unternehmens deutlich steigen. Das wollte er nicht zulassen. Für Potthoff-Wenner heißt die Lösung Sonnenstrom. Die 20.000 Quadratmeter Dachfläche der Hallen bieten genug Platz für Photovoltaikanlagen. Ein Jahr später schon erzeugt das Unternehmen 400.000 Kilowattstunden Strom selbst und sichert sich auf 20 Jahre eine Einspeisevergütung von 40 Cent pro Kilowattstunde.

Nach Jahren rasanten Wachstums braucht das Unternehmen mittlerweile zwei Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Davon liefern firmeneigene Photovoltaikanlagen und das Blockheizkraftwerk rund 40 Prozent. „Unser Ziel ist es, zwischen 50 und 70 Prozent des Strombedarfs aus eigener Erzeugung zu decken.“ Dabei soll auch der hauseigene Stromspeicher helfen, der seit Mitte 2021 in Betrieb ist. Mit ihm lässt sich die Elektrizität aus den Photovoltaikanlagen auffangen und später verwenden, zum Beispiel im Fuhrpark des Unternehmens. Bis vor kurzem waren dort ausschließlich Diesel-Lastwagen im Einsatz. Sie holen Rohkarton vom Hersteller im friesischen Varel und liefern fertige Verpackungen an Kunden in ganz Deutschland aus. Durch den Einsatz moderner Motoren und einem Training für umweltbewusstes Fahren ließ sich der Durchschnittsverbrauch dieser Flotte auf 27 Liter pro 100 Kilometer senken. „Ein vergleichsweise guter Wert für schwere Lastwagen“, sagt Potthoff-Wenner.  

Wer klaut hier Treibstoff?

Ganz anders als beim Shuttle-Verkehr auf dem eigenen Betriebsgelände, wo Kartons zum nächsten Fertigungsabschnitt transportiert werden. Kurz nach Einführung des neuen Systems stellte sich heraus, dass die eingesetzten Diesel-Lkw zwischen 80 und 100 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen. „Nachdem wir das entdeckt hatten, dachten wir: Hier klaut jemand Treibstoff“, erzählt Potthoff-Wenner. Doch Nachfragen bei Fachleuten bestätigten, dass die Fahrzeuge im Shuttleverkehr bei extremen Kurzstrecken tatsächlich so viel schluckten.

Gemeinsam mit MAN startete das Unternehmen deshalb ein Projekt, um zu untersuchen, wie sich elektrische Lastwagen für den Shuttle-Verkehr innerhalb des Betriebs einsetzen lassen. Im Zuge des Vorhabens schaffte sich die Firma einen MAN eTGM an. „Das Fahrzeug passt gut in unsere Abläufe“, bestätigt Lagerleiter Matthias Paul. Bei einer Reichweite von bis zu 190 Kilometern, muss es nur alle paar Tage geladen werden – ebenfalls mit Sonnenstrom aus eigener Erzeugung. „Nach drei bis vier Stunden ist die Batterie so voll, dass der Betrieb weitergehen kann“, sagt Paul. Geladen wird nachts, wenn die Arbeit ruht. Auch für Fahrten zu Kunden aus der Umgebung eignet sich der MAN eTGM. Das bestätigt Harald Nawipotzki. Seit zehn Jahren arbeitet er bei Wenner, zuvor hat er als Trucker Frischfleisch in ganz Europa ausgeliefert. Kann sich ein Profi wie er mit einem elektrischen Lkw anfreunden? Der 61-Jährige nickt.

Weil der Motor so leise ist, macht mir das Fahren weniger Stress.

Außerdem gefällt ihm das für E-Fahrzeuge typische Drehmoment. „Der Motor greift sofort, ganz anders als beim Diesel-Lkw.“ Die 360 PS unter der Haube seien vollkommen ausreichend. Bei kleineren Lieferfahrten sogar zu viel. Dann steige er um auf den MAN eTGE. Der Lieferwagen ist das zweite E-Fahrzeug im Fuhrpark des Unternehmens.

Bald auch Wasserstoff

In Zukunft sollen alle Fahrzeuge des Unternehmens elektrisch unterwegs sein. Für lange Strecken setzt Geschäftsführer Potthoff-Wenner dabei auf einen Wasserstoffantrieb, der sich wegen des geringeren Batteriegewichts besser dafür eignet. Einem Projekt zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in der Region Ostwestfalen-Lippe hat sich das Unternehmen schon angeschlossen. Schon bald soll ein Lkw mit Brennstoffzelle den Fuhrpark ergänzen.

Nachhaltige Zukunftstechnik selbst auszuprobieren, ist ohnehin eine Leidenschaft von Potthoff-Wenner. Deshalb hat er sich vor kurzem einen voll elektrisch betriebenen Sportwagen gekauft. Zur Arbeit fahren will er damit aber nur im Ausnahmefall. Dafür sitze er viel zu gern auf dem E-Bike.