Wieder aufs Gleis gebracht

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Team des MAN Servicebetriebs Erfurt restauriert Lok-Motor aus den 1940er Jahren

Eine große Portion Leidenschaft und Beharrlichkeit brauchte es neben Know-how und Erfahrung für die aufwendige Motorrevision einer Oldtimer-Lok aus den 1940er Jahren. Wie der Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD)-Motor wieder zum Laufen gebracht wurde, erzählt die nachfolgende MAN-Story, in der es ausnahmsweise mal nicht um Lkw geht.

„Ich bin froh, dass wir das geschafft haben,“ da ist „Bahn-Meister“ Matthias Wipprecht ehrlich. Sein Gefühl, als er vor der restaurierten Lok stand und das Ergebnis seiner Arbeit zur Abfahrt bereit sah, kann er im Rückblick kaum beschreiben: „Da ist dieser Riesen-Motor. Über zwei Meter hoch. Und dann wird er angelassen und kommt in Bewegung. Ganz langsam. Erst ein Zylinder, dann der zweite. Irgendwann zünden alle sechs. Da steht man mit Ehrfurcht davor. Wer sich das ausgedacht hat, wer das so konstruiert hat? Der Motor hat 98 Liter Hubraum. Das ist schon eine eigene Klasse.“

Die Lok aus der Typenreihe KHD V6M 436 R hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Sie war Wehrmachts-Lok, Transportmittel der britischen Armee und für eine Zuckerfabrik im Einsatz. Am Ende landete sie auf dem Abstellgleis bei den Eisenbahnfreunden Wetterau e.V. – defekt und ausrangiert. Endstation? Noch lange nicht, fanden die Vereinsverantwortlichen. Sie wandten sich an die Bahnspezialisten des MAN Servicebetrieb Erfurt. Und Wipprecht, Meister für Bahn-Antriebstechnik, und sein Team um Robert Dollas und Roy Loebner zeigten ihre eigene Klasse und fügten der Lok-Historie ein neues Kapitel hinzu.

Aber halt! Bahnspezialisten in einem MAN-Betrieb? Das sei schnell erzählt, sagt Betriebsleiter Helge Marusczyk: „Die Erfurter Industriebahn hat 1998 beschlossen, in den Personenverkehr einzusteigen und fünf Fahrzeuge mit MAN-Antriebstechnik zu kaufen. Der Hersteller beauftragte uns mit den Wartungen. Aus fünf wurden erst neun, dann 23 Fahrzeuge. Etwas später kam im Thüringer Wald ein Tochterunternehmen mit 32 Fahrzeugen hinzu. Wir sind da hineingewachsen und haben mit steigender Anzahl der Aufträge eine Mannschaft auf die Beine gestellt, die sich auf Bahn-Antriebstechnik konzentriert.“ Und Thomas Happ, Referent im Customer Service Management für die Vertriebsregion Nord-Ost, ergänzt: „Heute betreut die Bahnsparte des Servicebetrieb Erfurt Kunden deutschlandweit von Rügen im Norden bis Ulm im Süden. Das Team hat sich eine einzigartige Expertise im Bahngeschäft erarbeitet. In diesen Ausmaßen und mit dieser Professionalität ist das auch MAN-intern ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.“

Genau die richtigen Männer also für die stillgelegte Lok aus Wetterau. Sie willigten ein, den Eisenbahn-Oldie von Grund auf zu restaurieren – neben dem üblichen Taggeschäft.

Fachkräfte, die diese Technik noch verstehen und mit ihr umgehen können, sterben aus. Da geht so viel historische Handwerkskunst verloren. Auch deshalb haben unsere Leute sich so dahintergeklemmt, dass die Lok erhalten bleibt.

Einfach war das nicht. Viele Herausforderungen warteten auf der Strecke bis zur Fertigstellung: Eine Dokumentation der technischen Daten fehlte ebenso wie Informationen zur Materialität. Ersatzteile waren nicht mehr verfügbar und mussten spezialangefertigt werden, von Zulieferern, die ihr Handwerk verstehen. Wipprecht suchte hartnäckig – und wurde fündig: „Der alte KHD-Motor besteht aus großen schweren Bauteilen. Als alles zerlegt vor uns lag, haben wir uns schon gefragt: Wo bekommen wir Ersatzteile her, wer kann das noch bearbeiten? Wir wussten nicht, was für ein Material verbaut wurde und wie sich das Material beim Schweißen verhält. Wir haben völlig im Dunkeln getappt. Nach und nach haben wir Unternehmen gefunden, die diese Restauration genauso wollten wie wir. Die Firma LLST von Frau Antje Teubner aus Erfurt etwa, die sich auf Gussschweißen spezialisiert hat. Oder ein MAN Vertragspartner aus Kulmbach, der für uns schon viele Spezialanfertigungen gemacht hat.“ Davon gab es bei dem Oldtimer-Projekt viele und in einer völlig neuen Dimension – allein die neu angefertigten Ventilsätze sind 4-mal so groß wie in einem normalen Motor.

Die Kosten für die aufwendige Restauration wurden allein von den Eisenbahnfreunden aus Wetterau getragen. Mit Ausflugsfahrten versucht der Verein nun, das Geld wieder einzufahren. Einfach wird auch das nicht. Warum die Verantwortlichen es trotzdem gewagt haben? Sie leben für die Eisenbahntechnik, genauso wie die Bahn-Profis im Servicebetrieb Erfurt.

Tradition, davon sind die Thüringer Bahn-Spezialisten von MAN überzeugt, stellt wichtige Weichen für die Zukunft.